May 2011
Fortsetzung - Teil 2
30.05.2011
Die rote Sonne auf gelbem Grund haben wir am Ostersonntag Nachmittag ans Geländer geklebt. Wir, damit meine ich meinen Cousin und ich. Wobei es nicht irgendeinen meiner Cousins war, sondern mein Lieblingscousin. Eigentlich war er das schon immer. Und es gibt keinen Grund, weshalb sich das ändern sollte. Als ich sechs Jahre alt war, beschloss ich. ihn mal zu heiraten. Es schien mir naheliegend, war er doch der einzige Kandidat, der dafür in Frage kam. Zum Heiraten meine ich. Und der ältere seiner jüngeren Brüder wäre dann etwas für meine Schwester gewesen. Kindliche Logik. Das Leben ist noch so einfach. Und die Welt, wie man sie kennt, so überschaubar. Natürlich heiratet man einen Cousin.
Stef würde lachen, wenn ich ihm davon erzähle und sagen: „deine pragmatische holländische Seite“. Und ich werde mich zum x. Mal fragen, ob Holländer tatsächlich pragmatisch sind und zwar so pragmatisch, dass sich der Pragmatismus auch dann äussert, wenn nur die Hälfte des Blutes niederländischer Herkuntt ist. wie das bei mir der Fall ist.
Zurück zu Ostern. Es ist ein angenehmer Feiertag. Ohne monatelange Vorfreude oder besser gesagt hauptsächlich Stress. Man isst ein paar Eier mehr als normal, man köpft Osterhasen oder beraubt sie zuerst ihres Stummelschwänzchens - nicht zu vermeiden, dass ich da gleich an „Otto-der Film“ dachte und wahrscheinlich habe ich es sogar dort aufgeschnappt, aber wie weiss man das schon nach so vielen Jahren -, bevor man sich über den Rest hermacht. Und den Rest des Tages tut man nichts, ausser sich auf den freien Montag zu freuen. Es gibt so gut wie nichts, das einem diesen Feiertag vermiesen kann. Ausser, der Wechsel von Winter- auf Sommerzeit fällt genau auf Ostern und aus Unachtsamkeit vergisst man die Uhren vorzustellen. Wohnt man auch noch alleine, kann das Unglück seinen Lauf nehmen. Erst recht, wenn man zum Frühstück eingeladen ist. Und dann steht man bei der Bushaltestelle und wundert sich, wie munter die Leute um halb neun schon sind. Man denkt sich aber nicht Böses. Erst nachdem man geklingelt hat und die Tür geöffnet wurde und einem unmissverständlich und erbarmungslos eine Armbanduhr vor die Nase gehalten wird. 10 Uhr. Was nichts anderes hiess als: man ist pünktlich eine ganze Stunde zu spät. Und man fragte sich, wieso sich die Erde nie, aber auch wirklich nie, in Augenblicken wie diesem auftut und man darin diskret verschwinden kann. Natürlich erst nachdem man „Frohe Ostern“ gewünscht hat und den Blumenstrauss oder was immer man dabei hat, überreicht hat. Ich meine, man ist ja gut erzogen. So gut, dass man nicht mal fünf Minuten zu spät kommt. Und dann, Peng!
Wie ich einem Arbeitskollegen und Mentoren hin und wieder zu sagen pflegte: Bescheidenheit ist keine Tugend. Da könnte ich mich allerdings irren. Was aber bestimmt keine Tugend ist, wie mir jener Ostersonntag gezeigt hat, ist Perfektionismus,
Seither gab es in dieser Familie, die mich eingeladen hat, zwei Hochzeiten, insgesamt sechs Kinder kamen auf die Welt. Und das eine Osterfest glich dem anderen, bis jetzt.
Ostern 2011 sollte anders werden. Einmalig, und zwar im positiven Sinn, Also ohne irgendwelche Unterlassungen mit peinlichen Folgen, Slapstick-Einlagen oder was einem so passiert, obwohl es das natürlich nicht sollte.
Und das gelang auch. Trotz Nervosität. Denn nervös war ich wirklich, und nicht nur ich. Das hatte damit zu tun, dass eine Premiere anstand. Meine Taufe.
Stef würde lachen, wenn ich ihm davon erzähle und sagen: „deine pragmatische holländische Seite“. Und ich werde mich zum x. Mal fragen, ob Holländer tatsächlich pragmatisch sind und zwar so pragmatisch, dass sich der Pragmatismus auch dann äussert, wenn nur die Hälfte des Blutes niederländischer Herkuntt ist. wie das bei mir der Fall ist.
Zurück zu Ostern. Es ist ein angenehmer Feiertag. Ohne monatelange Vorfreude oder besser gesagt hauptsächlich Stress. Man isst ein paar Eier mehr als normal, man köpft Osterhasen oder beraubt sie zuerst ihres Stummelschwänzchens - nicht zu vermeiden, dass ich da gleich an „Otto-der Film“ dachte und wahrscheinlich habe ich es sogar dort aufgeschnappt, aber wie weiss man das schon nach so vielen Jahren -, bevor man sich über den Rest hermacht. Und den Rest des Tages tut man nichts, ausser sich auf den freien Montag zu freuen. Es gibt so gut wie nichts, das einem diesen Feiertag vermiesen kann. Ausser, der Wechsel von Winter- auf Sommerzeit fällt genau auf Ostern und aus Unachtsamkeit vergisst man die Uhren vorzustellen. Wohnt man auch noch alleine, kann das Unglück seinen Lauf nehmen. Erst recht, wenn man zum Frühstück eingeladen ist. Und dann steht man bei der Bushaltestelle und wundert sich, wie munter die Leute um halb neun schon sind. Man denkt sich aber nicht Böses. Erst nachdem man geklingelt hat und die Tür geöffnet wurde und einem unmissverständlich und erbarmungslos eine Armbanduhr vor die Nase gehalten wird. 10 Uhr. Was nichts anderes hiess als: man ist pünktlich eine ganze Stunde zu spät. Und man fragte sich, wieso sich die Erde nie, aber auch wirklich nie, in Augenblicken wie diesem auftut und man darin diskret verschwinden kann. Natürlich erst nachdem man „Frohe Ostern“ gewünscht hat und den Blumenstrauss oder was immer man dabei hat, überreicht hat. Ich meine, man ist ja gut erzogen. So gut, dass man nicht mal fünf Minuten zu spät kommt. Und dann, Peng!
Wie ich einem Arbeitskollegen und Mentoren hin und wieder zu sagen pflegte: Bescheidenheit ist keine Tugend. Da könnte ich mich allerdings irren. Was aber bestimmt keine Tugend ist, wie mir jener Ostersonntag gezeigt hat, ist Perfektionismus,
Seither gab es in dieser Familie, die mich eingeladen hat, zwei Hochzeiten, insgesamt sechs Kinder kamen auf die Welt. Und das eine Osterfest glich dem anderen, bis jetzt.
Ostern 2011 sollte anders werden. Einmalig, und zwar im positiven Sinn, Also ohne irgendwelche Unterlassungen mit peinlichen Folgen, Slapstick-Einlagen oder was einem so passiert, obwohl es das natürlich nicht sollte.
Und das gelang auch. Trotz Nervosität. Denn nervös war ich wirklich, und nicht nur ich. Das hatte damit zu tun, dass eine Premiere anstand. Meine Taufe.
Fortsetzung - Teil 1
28.05.2011
Inzwischen ist Ruhe eingekehrt, Die beiden nächtlichen Besucher in Gestalt zweier Glühbirnen bzw. dem, was nach dem Kontakt mit dem Beton noch übrig war, blieben ohne Nachfolger. Auch Farbbeutel flogen keine. Wobei die Vorstellung von weiteren Farbtupfern durchaus reizvoll ist. Nur, die Bewohner hätten keine Freude an Verzierungen solcher Art. Einige von ihnen stossen sich sogar am kleinen Sticker mit der roten Sonne, den ich auf meinen Rollator geklebt habe. Ich meine, wenn man schon so ein Teil durch die Gegend schieben muss, dann kann man die Gegend ja auch gleich an seinen Überzeugungen teilhaben lassen. Oder in diesem Fall doch lieber Überzeugung und nicht Überzeugungen, also Einzahl. Denn grundsätzlich halte ich meinen rollenden Gefährten doch lieber neutral. Er fällt auch ohne viele bunte Sticker und Fähnchen auf. Andererseits, ein einziger knallgelber Aufkleber hebt ihn wohltuend von der Masse der anderen seiner Art hier im Haus ab. Und es wird ihn auch niemand mehr mit seinem verwechseln. Wie das auch schon mal passiert ist,
Und zu guter Letzt ist so eine Verzierung auch ein Zeichen. Hier schiebt eine junge Tante, und keine alte. Und das tut dem Selbstbewusstsein doch ganz gut.
Noch zwei Monate, und mein erstes Jahr in der Alterssiedlung habe ich hinter mir. Wie es sich dort lebt? Wahrscheinlich ist es unmöglich, auf diese Frage, die mir tatsächlich schon gestellt wurde, zu antworten. Ich meine, was hat sich denn schon gross geändert. Ausser der Tatsache, dass ich die Waschküche endlich wieder mal problemlos erreichen kann. Und dass ich ebenfalls schon seit Jahren nicht mehr soviel Kontakt zu meinen Nachbarn hatte wie jetzt. Aber sonst?
Da fällt mir ein: Ich habe tatsächlich schon lange nicht mehr so oft über mich selber gelacht. Dass ich gerne hin und wieder den Clown spiele ist ein offenes Geheimnis. Und wo, wenn nicht hier, sollte ich dem nachgehen. Denn falls es etwas gibt, das schwierig ist, dann ist es die Einsamkeit der alten Menschen. Und die Tatsache, dass es effektiv nicht mehr viel zu lachen gibt.
Ich weiss, dass es nicht mehr ist als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heissen Stein, wenn ich jemandem zum Lachen oder zumindest zum Lächeln bringe. Aber ist es nicht besser als gar nichts? Ich weiss es nicht. Ausser dass es mich noch nie grundlos an einen bestimmten Ort verschlagen hat. Und welches hier meine Aufgabe ist, werde ich schon noch herausfinden. Ich bin sicher, dass ich eine habe. Ob eine ganz kleine oder eine etwas grössere, das spielt eine Rolle.
Alles in allem kann ich sagen, wir haben uns gut eingelebt. Wobei ich mit „wir“ abgesehen von mir all diejenigen meine, die hier regelmässig ein und aus gehen. Und auch wenn es mir schwer fiel, meine Altbauwohnung aufzugeben, es war richtig. Schon nach ein paar Monaten, wenn ich von der Dachterrasse mein ehemaliges Schlaf- und Wohnzimmerfenster ins Visier nehme, dann ist da nichts mehr. Kein Ziehen in der Herzgegend. Kein „Ich wäre ja so gerne, ach, was auch immer“ und so weiter. Und das ist gut so.
Und an all das, was eben etwas anders ist als in einem durchschnittlichen Wohnhaus, gewöhnt man sich schnell. Schussendlich geht es doch einfach darum, sich auf etwas Unbekanntes einzulassen und dadurch seinen Erfahrungen ein paar neue hinzuzfügen.
Apropos Gewöhnung: das Transparent, das eigentlich eine Fahne ist, gehörte schon nach ein paar Tagen endgültig zur Einrichtung. Und auch wenn es ach jetzt noch doch sehr gelb ist und bis in die hinterste Ecke des Wohnzimmers strahlt. Wegnehmen ist keine Option. Wieso auch.
Und zu guter Letzt ist so eine Verzierung auch ein Zeichen. Hier schiebt eine junge Tante, und keine alte. Und das tut dem Selbstbewusstsein doch ganz gut.
Noch zwei Monate, und mein erstes Jahr in der Alterssiedlung habe ich hinter mir. Wie es sich dort lebt? Wahrscheinlich ist es unmöglich, auf diese Frage, die mir tatsächlich schon gestellt wurde, zu antworten. Ich meine, was hat sich denn schon gross geändert. Ausser der Tatsache, dass ich die Waschküche endlich wieder mal problemlos erreichen kann. Und dass ich ebenfalls schon seit Jahren nicht mehr soviel Kontakt zu meinen Nachbarn hatte wie jetzt. Aber sonst?
Da fällt mir ein: Ich habe tatsächlich schon lange nicht mehr so oft über mich selber gelacht. Dass ich gerne hin und wieder den Clown spiele ist ein offenes Geheimnis. Und wo, wenn nicht hier, sollte ich dem nachgehen. Denn falls es etwas gibt, das schwierig ist, dann ist es die Einsamkeit der alten Menschen. Und die Tatsache, dass es effektiv nicht mehr viel zu lachen gibt.
Ich weiss, dass es nicht mehr ist als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heissen Stein, wenn ich jemandem zum Lachen oder zumindest zum Lächeln bringe. Aber ist es nicht besser als gar nichts? Ich weiss es nicht. Ausser dass es mich noch nie grundlos an einen bestimmten Ort verschlagen hat. Und welches hier meine Aufgabe ist, werde ich schon noch herausfinden. Ich bin sicher, dass ich eine habe. Ob eine ganz kleine oder eine etwas grössere, das spielt eine Rolle.
Alles in allem kann ich sagen, wir haben uns gut eingelebt. Wobei ich mit „wir“ abgesehen von mir all diejenigen meine, die hier regelmässig ein und aus gehen. Und auch wenn es mir schwer fiel, meine Altbauwohnung aufzugeben, es war richtig. Schon nach ein paar Monaten, wenn ich von der Dachterrasse mein ehemaliges Schlaf- und Wohnzimmerfenster ins Visier nehme, dann ist da nichts mehr. Kein Ziehen in der Herzgegend. Kein „Ich wäre ja so gerne, ach, was auch immer“ und so weiter. Und das ist gut so.
Und an all das, was eben etwas anders ist als in einem durchschnittlichen Wohnhaus, gewöhnt man sich schnell. Schussendlich geht es doch einfach darum, sich auf etwas Unbekanntes einzulassen und dadurch seinen Erfahrungen ein paar neue hinzuzfügen.
Apropos Gewöhnung: das Transparent, das eigentlich eine Fahne ist, gehörte schon nach ein paar Tagen endgültig zur Einrichtung. Und auch wenn es ach jetzt noch doch sehr gelb ist und bis in die hinterste Ecke des Wohnzimmers strahlt. Wegnehmen ist keine Option. Wieso auch.
gelber Protest
11.05.2011
Was eignet sich besser für etwas Protest als eine Fassade, die, rote Akzente hin oder her, doch einfach nur grau und daher langweilig ist? Das kleine gelbe Transparent kommt jedenfalls wunderbar zur Geltung. Zu wunderbar?
Nach nur fünf Tagen flogen nachts um drei eine alte Glühbirne und eine Sparlampe auf den Balkon. Und auch jetzt, zwei Wochen danach, finde ich immer noch kleine Splitter in den Blumentöpfen. Und jedes Mal kommt der Ärger aufs Neue hoch. Absicht oder Zufall? Auf jeden Fall war viel „Glück“ dabei. Oder jahrelange Übung. Denn so etwas Lichtes wie eine Glühbirne über diese Distanz so gezielt ... Ob man mit einer Steinschleuder oder etwas in dieser Art nachgeholfen hat? So oder so, man könnte direkt neidisch werden. Aber ich war vor allem sauer. Denn, wozu wohnt man in einem Quartier in dem „No SVP“ an en Hauswänden dominiert oder zumindest mal dominierte. Vor der Fassadenrenovationswelle.
Nicht, dass ich dem Gekritzel gross nachtraure. Es hatte aber einige gute Sprüche darunter. Und ich ärgere mich immer noch, das ich nie Fotos gemacht habe. Aber wer läuft schon vor dem eigenen Haus mit einer Kamera herum?
Um den Protest noch etwas auszuweiten - wenn es um AKWs geht, werde sogar ich politisch, auch wenn mir klar ist, dass es wohl nicht so schnell geht, wie man gerne hätte, leider - könnte man ja hier auf dem Dach eine kleine Filiale des AKW-Ade-Camps einrichten. „Es steht nirgends in der Hausordnung, dass man auf der Terrasse nicht übernachten darf“, meinte ich an einem der ersten warmen Abenden.
Wie sich wohl eine Nacht unter Sternen anfühlt? Jetzt, Jahrzehnte nach dem letzten Mal. Und ohne all die Geräusche, die einen immer wieder aufwecken. Und jedes Mal ist der Mond ein gutes Stück weitergerückt. Und am Morgen ist es kühl, und alles ist von Tau überzogen.
Als ich heute Morgen um fünf aufwachte, gab ich dem Drang, Kaffee zu kochen nach, und kletterte danach auf die Dachterrasse. Gerade zu spät. Zu spät, um es Tag werden zu sehen. Den Wechsel von Grau zu Farbe, die ersten Sonnenstrahlen und die Morgenröte, die noch schöner sein kann als ein Sonnenuntergang.
Geradezu einmalig war es in San Francisco. Ich war vor zehn Jahren dort, drei Monaten nach den Anschlägen. Die neun Stunden Zeitverschiebung hatten unter anderem zur Folge, dass ich an jedem der fünf Morgen, die ich dort erlebte, sehr früh aufwachte. Mein Zimmer war im zehnten oder elften Stock. Seltsamerweise kann ich mich trotz meines Zahlenfimmels nicht mal mehr an die Zimmernummer erinnern. Wahrscheinlich war ich zu müde und zu fasziniert von der der eigenen Kaffeemaschine. Ich setzte mich ans grosse Fenster. Und jedes Mal aufs neue faszinierte es mich, der Stadt beim Aufwachen zuzusehen. Die Lichter erloschen und die Zahl der Autos nahm zu. Der Himmel verfärbte sich. Das war, abgesehen von der Fahrt ins Kongresszentrum das Highlight des Tages.
Von all dem schönen, das ein Morgen bieten kann, war heute nichts zu sehen. Auch keine Morgenröte. Dafür roch es roch Kläranlage. Oder meine Nase bildete sich das ein. Nur, einen Unterschied machte das keinen. Jedenfalls wurde mir schlagartig bewusst, dass ih ja doch ganz einfach mitten in der Stadt bin, mitten in den Dächern. Und auch die eigentlich ganz schöne, aber halt nicht besonders spektakuläre Aussicht tröstete nicht darüber hinweg, dass die nächste Wiese zwar recht nahe, aber ausser Sichtweite ist. Da bringt es auch nicht viel, die Augen zu schliessen und sich vorzustellen, barfuss durch taunasses Gras zu gehen.
Dieses Vergnügen haben dafür die Leute im AKW-Ade-Camp. Vorausgesetzt, die einen und anderen Grashalme zwischen den Zelten sind standhaft geblieben. Und so kann man sagen: jedem sein eigener Protest.
(Da bleibt noch anzufügen: Mir fielen auch schon bessere Schlusssätze ein. Aber Fortsetzung wird eh folgen.)
Nach nur fünf Tagen flogen nachts um drei eine alte Glühbirne und eine Sparlampe auf den Balkon. Und auch jetzt, zwei Wochen danach, finde ich immer noch kleine Splitter in den Blumentöpfen. Und jedes Mal kommt der Ärger aufs Neue hoch. Absicht oder Zufall? Auf jeden Fall war viel „Glück“ dabei. Oder jahrelange Übung. Denn so etwas Lichtes wie eine Glühbirne über diese Distanz so gezielt ... Ob man mit einer Steinschleuder oder etwas in dieser Art nachgeholfen hat? So oder so, man könnte direkt neidisch werden. Aber ich war vor allem sauer. Denn, wozu wohnt man in einem Quartier in dem „No SVP“ an en Hauswänden dominiert oder zumindest mal dominierte. Vor der Fassadenrenovationswelle.
Nicht, dass ich dem Gekritzel gross nachtraure. Es hatte aber einige gute Sprüche darunter. Und ich ärgere mich immer noch, das ich nie Fotos gemacht habe. Aber wer läuft schon vor dem eigenen Haus mit einer Kamera herum?
Um den Protest noch etwas auszuweiten - wenn es um AKWs geht, werde sogar ich politisch, auch wenn mir klar ist, dass es wohl nicht so schnell geht, wie man gerne hätte, leider - könnte man ja hier auf dem Dach eine kleine Filiale des AKW-Ade-Camps einrichten. „Es steht nirgends in der Hausordnung, dass man auf der Terrasse nicht übernachten darf“, meinte ich an einem der ersten warmen Abenden.
Wie sich wohl eine Nacht unter Sternen anfühlt? Jetzt, Jahrzehnte nach dem letzten Mal. Und ohne all die Geräusche, die einen immer wieder aufwecken. Und jedes Mal ist der Mond ein gutes Stück weitergerückt. Und am Morgen ist es kühl, und alles ist von Tau überzogen.
Als ich heute Morgen um fünf aufwachte, gab ich dem Drang, Kaffee zu kochen nach, und kletterte danach auf die Dachterrasse. Gerade zu spät. Zu spät, um es Tag werden zu sehen. Den Wechsel von Grau zu Farbe, die ersten Sonnenstrahlen und die Morgenröte, die noch schöner sein kann als ein Sonnenuntergang.
Geradezu einmalig war es in San Francisco. Ich war vor zehn Jahren dort, drei Monaten nach den Anschlägen. Die neun Stunden Zeitverschiebung hatten unter anderem zur Folge, dass ich an jedem der fünf Morgen, die ich dort erlebte, sehr früh aufwachte. Mein Zimmer war im zehnten oder elften Stock. Seltsamerweise kann ich mich trotz meines Zahlenfimmels nicht mal mehr an die Zimmernummer erinnern. Wahrscheinlich war ich zu müde und zu fasziniert von der der eigenen Kaffeemaschine. Ich setzte mich ans grosse Fenster. Und jedes Mal aufs neue faszinierte es mich, der Stadt beim Aufwachen zuzusehen. Die Lichter erloschen und die Zahl der Autos nahm zu. Der Himmel verfärbte sich. Das war, abgesehen von der Fahrt ins Kongresszentrum das Highlight des Tages.
Von all dem schönen, das ein Morgen bieten kann, war heute nichts zu sehen. Auch keine Morgenröte. Dafür roch es roch Kläranlage. Oder meine Nase bildete sich das ein. Nur, einen Unterschied machte das keinen. Jedenfalls wurde mir schlagartig bewusst, dass ih ja doch ganz einfach mitten in der Stadt bin, mitten in den Dächern. Und auch die eigentlich ganz schöne, aber halt nicht besonders spektakuläre Aussicht tröstete nicht darüber hinweg, dass die nächste Wiese zwar recht nahe, aber ausser Sichtweite ist. Da bringt es auch nicht viel, die Augen zu schliessen und sich vorzustellen, barfuss durch taunasses Gras zu gehen.
Dieses Vergnügen haben dafür die Leute im AKW-Ade-Camp. Vorausgesetzt, die einen und anderen Grashalme zwischen den Zelten sind standhaft geblieben. Und so kann man sagen: jedem sein eigener Protest.
(Da bleibt noch anzufügen: Mir fielen auch schon bessere Schlusssätze ein. Aber Fortsetzung wird eh folgen.)