Königinnen

Nach gut einem halben Jahr zeigt sich, dass ich recht hatte. Oder etwas bescheidener ausgedrückt: recht haben könnte.
Aber. Wie konnte ich nur so sicher sein? Man hatte mich vorgewarnt. Kommt eine junge Person zu dieser Gemeinschaft älterer und alter Menschen hinzu, gibt es Streit. Es klang für mich so, als wäre das der Normalfall. Also, wieso nicht versuchen herauszufinden, woran das liegen könnte.
Das hat mich wohl gereizt bzw. die Forscherin in mir. Und so nahm ich, indem ich umzog, ein neues Projekt in Angriff. Wiederum und wie schon oft ohne Landkarte und Kompass. Und so war mir klar, dass ich mich da Schritt für Schritt vortasten muss. Im wWissen, dass es auch scheitern kann. Aber um ehrlich zu sein . und unbescheiden . ich glaubte nie an ein Scheitern.
Eine gute Grundvoraussetzung war schon gegeben. Ich mag alte Leute. und an manchem Tagen fühle ich mich ihnen näher als meinen Altersgenossen.
Was mir dann schnell klar wurde: man darf nicht zimperlich sein. Und wenn die Leute merken, dass man gerne den Clown spielt (und das tue ich nun mal, auch wenn ich das hin und wieder ... ich meine, so als erwachsener Mensch. Aber im Prinzip hat das nichts miteinander zu tun? Aber das ist ein Thema für sich), und sie darauf eingehen, gibt es schon eine erste Verbindung.
Lachen ist eh eine Rarität an Orten wie diesen. Leider.

Eine der bisher schönsten Begegnungen machte ich nach gut einem Monat. Ich lernte Erna kennen, eine 90jährige Dame. mit der ich seither am Abend esse. Man könnte es auch umschreiben als „Prinzessin (ich) trifft auf Königin“. Bis vor ein paar Tagen sassen wir an unserem eigenen Tisch nebeneinander und so, dass wir den Raum überblicken können. Eigentlich hätten problemlos noch zwei weitere Leute Platz, Und so kam es wie es kommen musste. Seit vier Tagen sind wir zu dritt, seit gestern zu viert.
Kurz: The Queen and Princess are not amused.
So kam es bei mir jedenfalls an. Da kann man gespannt sein, wie es weiter geht. Und ob es überhaupt eine Lösung für dieses Problem gibt. So gross ist die Cafeteria nun auch wieder nicht.
Da ist aber noch die Geheimwaffe meiner Tischdame, ihr K.o.-Argument. „Ich bin 90“, meint sie jeweils und streckt neun Finger in die Luft. Und dann lacht sie verschmitzt. Und man erahnt die junge Frau, die sie mal war.
Man kann gespannt sein, ob es wirkt, wenn es um unseren Tisch geht.

So viel Aktivismus. Trotz Kälte, Nässe und viel Grau. Man staunt. Ob das daran liegt, dass es jetzt nicht mehr zu übersehen ist, dass die Tage länger werden. Und man den Winterschlaf getrost an den Nagel hängen kann.

Januar ist effektiv kein Monat für mich. Während im Dezember es vor lauter Lichter und Kerzen nur so wimmelt, ist der Januar nur trist. Lange Nächte, und was vom Tag überbleibt ist grau, nass und kalt. Und dazu kommt, das ich das Loch vom Wort Januarloch doch etwas zu wörtlich nehme. Wer wartet schon gerne in einem Loch auf den Frühling, sofern er sich überhaupt noch daran erinnert, dass es so etwas gibt.

Vor zwei Tagen bekam ich die ersten Primeln. Sie stehen im Wohnzimmer auf dem runden Eisentisch neben dem Ingwer. Wobei letzterer noch nichts Spektakuläres geboten hat. Er wächst einfach munter der Decke entgegen, Und irgendeinmal sollte er blühen. Klein und gelb, meint Wiki.
Es war übrigens der dritte Anlauf. Die ersten beiden Triebe wurden nicht länger als 1-2 cm und dann war fertig. Ich glaubte schon fast nicht mehr daran. Und zu meinem grossem Erstaunen wuchs Nummer drei und dachte nicht im Traum daran, mich zu enttäuschen. Ausser ein klein bisschen. Von Blüten ist noch weit und breit nichts zu sehen.
Aber es dauert noch fast zwei Monate bis zum Frühlingsanfang. Bis dahin sollte man nicht zu viel erwarten. Ausser.

10122010

Ausser, man hat einen grünen Daumen, wie zum Beispiel meine Schwester. Dann sieht das grossväterliche Erbe (rechts im Bild) schon ganz anders aus.
Und ich gebe zu: ich erblasse immer noch vor Neid. Ganz schön viel Ehrlichkeit. Aber es würde mir ja eh niemand glauben, würde ich das Gegenteil behaupten. Die Blüten sind einfach wunderschön.