Auswirkungen des »Bastille«-Ereignisses

Im Juli 2000 beobachteten zahlreiche im Weltraum und auf der Erde positionierte Messinstrumente die Sonne und den interplanetaren Raum. Wir konzentrieren uns hier auf die Messungen der Teilcheninstrumente
COSPIN/LET auf der Raumsonde ULYSSES [9] und CELIAS/(H)STOF [10] auf SOHO.
Die Raumsonde ULYSSES wurde 1990 gestartet. Seit 1992 umkreist sie die Sonne auf einer elliptischen Umlaufbahn beinahe senkrecht zur Ekliptik (Erdbahnebene) mit Abständen zur Sonne von etwa 1.3 bis 5.4 AE (etwa 200 bis 800 Mio. Kilometern). ULYSSES ist die erste und bis jetzt einzige Sonde, die sich auf ihrem Umlauf von der Ekliptik bis zu hohen solaren Breiten von etwa 80 Grad bewegt. Während des »Bastille«-Ereignisses befand sich die Sonde auf einer südlichen Breite von 62 Grad in einem Abstand von etwa 3.1 AE.
Das COSPIN/LET auf ULYSSES misst mit Hilfe mehrerer Festkörperdetektoren die Elementhäufigkeiten der energiereichen Teilchen. Die Analyse der Elementhäufigkeiten dient der Identifikation des Beschleunigungsortes und der Beschleunigungsprozesse, die das Material selektiv mitnehmen. Diese Elementhäufigkeiten sind unterschiedlich je nach Messbereich.
Figur 2 zeigt oben die elementaren Häufigkeiten von Helium, Kohlenstoff, Stickstoff, Neon und Eisen relativ zu Sauerstoff und unten den Protonenfluss für die Tage 190 bis 240 des Jahres 2000. Am 14. Juli 2000 (Tag 196) wurde ein starker Anstieg des Protonenflusses und das plötzliche Auftreten von energiereichen Teilchen registriert. Der Protonenfluss blieb während weiterer 25 Tage hoch, da ein Ereignis dem anderen folgte, was auch im gehäuften Auftreten von Stosswellen (Pfeile) ersichtlich ist.
Im Juli 2000 stimmen die elementaren Häufigkeiten bei
ULYSSES mit Werten von Raumsonden in der Ekliptik, z.B. mit WIND, überein, was darauf schliessen lässt, dass dasselbe Ereignis beobachtet wurde. Der interplanetare Teilchensturm breitete sich auf einem riesigen Volumen von mehreren AE3 aus.
Die dazu gehörenden, auf
ULYSSES gemessenen, Flussprofile sind ähnlich denen, die bei 1 AE in der Ekliptik gemessen wurden. In der Phase, in der derartige Ereignisse wieder abklingen, ist das Flussmaximum gemessen auf ULYSSES bei 3 AE auf 62 Grad südlicher Breite nur um 10 bis 100 mal niedriger als bei 1 AE. Im Weltraum herrscht Hochvakuum, und das Nichtverschwinden der Teilchenpopulation über so grosse Distanzen ist daher höchst erstaunlich.
Die Raumsonde
SOHO wurde 1995 gestartet und befindet sich in einer Umlaufbahn um den Lagrange-Punkt L1 auf der Verbindungslinie Sonne-Erde, wo sich die verschiedenen Kräfte des Systems Sonne-Erde aufheben [11]. Dieser Punkt ist etwa 1.5 Mio. Kilometer (0.01 AE) von der Erde entfernt.
Der
CELIAS/HSTOF-Sensor auf SOHO ist ein Flugzeit-Massenspektrometer. Mit diesem Sensor kann erstmals der Energiebereich der sogenannten suprathermalen Ionen [12] detailliert untersucht werden. Wir analysierten die HSTOF-Daten für die Zeit der Passage der starken Stosswelle am 15. Juli. Figur 3 zeigt die Helium-Flussraten für drei verschiedene Energiebereiche, die der Berechnung der Energiespektren und somit der Analyse des Beschleunigungsprozesses dienen. Das Intensitätsmaximum in allen drei Energiebereichen nach der Stosswelle deutet darauf hin, dass die suprathermalen Teilchen vor allem in den nach der Stosswelle auftretenden starken magnetischen Turbulenzen beschleunigt wurden.
Die Stosswelle vom 15. Juli 2000 produzierte einerseits suprathermale energiereiche Teilchen und modulierte andererseits die hochenergetische galaktische kosmische Strahlung. Die energiereichen Teilchen kommen somit nicht nur direkt vom Flare, sondern werden auch an den Turbulenzen der interplanetaren Stosswellen beschleunigt und verbreiten sich danach über riesige Raumbereiche. Die Mächtigkeit der Stosswelle sieht man auch daran, dass sie hochenergetische kosmische Strahlungsteilchen beeinflusste und die Erdmagnetosphäre massiv zusammendrückte.

Ausblick